Das Phänomen Bernhard Langer

Bernhard Langer - Alt werden nur die anderen | 5 2. Genauigkeit ist alles Als Langer an der Seite seines schottischen Kollegen Colin Montgomerie beim Ry- der Cup 1991 in Kiawah Island, South Carolina, Seite an Seite im Duell gegen das amerikanisches Duo Corey Pavin und Steve Pate antrat, fragte er Montgomerie, der rechts von ihm in der Nähe eines Sprinklerdeckels mitten auf der Spielbahn stand, wie weit es von dort bis zur Fahne sei. Der Schotte antwortete. Er nannte die genaue Distanz, worauf Langer jedoch noch einmal nachfragte. Von wo er denn gerechnet habe, wollte der Deutsche wissen, vom Anfang oder Ende des Rasensprinkler­ deckels. Derartige Abdeckungen auf den Spielbahnen haben in der Regel keinen grö- ßeren Durchmesser als 30 Zentimeter. 30 Zentimeter Unterschied bei einer Ent- fernung zum Loch von 150 Metern, das dürfte nicht einmal ein Computer genau berechnen können, zumal Golfer ja noch bei ihren Schlägen äußere Einflüsse wie Wind und Windrichtung zu berücksichtigen haben. Aber Langer braucht genau solche präzisen Angaben für sein Wohlbefinden. Die beiden Europäer gewannen im Übrigen das Match gegen die Amerikaner mit 2 auf 1. Ich habe Langers Spielpartner Montgomerie viele Jahre später zu der kuriosen Begebenheit während eines Doppelinterviews mit Bernhard Langer gefragt, ob denn die Geschichte genau so abgelaufen sei. „So halb und halb“, antwortete der Schotte bei unserem Gespräch 2005. „Um die wahre Antwort heraus zu finden, müssten wir Bernhards früheren Caddie Peter Coleman anrufen. Ich habe damals die Geschichte nach der Runde erzählt, um deutlich zu machen, wie penibel und präzise Bernhard auf dem Platz vorgeht.“ Dazu Langer: „Ich habe diese Frage so natürlich nicht gestellt. Kein Mensch kann auf eine Entfernung von 150 Metern Ab- weichungen von wenigen Zentimetern berücksichtigen.“ Montgomerie: „Nein, nein. Wenn jemand für Präzision steht, dann ist Bernhard Langer der Mann dafür.“ Der unterhaltsame Disput der beiden Topgolfer wirft jedenfalls ein bezeich- nendes Licht auf den Deutschen: Langer ist Perfektionist, er war es immer. Und natürlich ist sein Streben nach Perfektion auch einer der Gründe seines sportlichen Erfolgs. Doch in einem Raubtierkäfig wie der amerikanischen Golf-Tour nicht nur zu überleben, sondern sich auch noch die edelsten Filetstücke schnappen zu kön- nen, dafür sind noch andere Eigenschaften und Fähigkeiten nötig. Seit Jahrzehnten schon fahnden andere deutsche Golfer nach dem Erfolgsre- zept, das sie auf eine ähnliche Flughöhe wie Langer liften könnte. Wenn man ehrlich

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