Die deutsche Medizintechnik-Industrie / SPECTARIS Jahrbuch 2021/2022

74 Aktuelle Gesundheitspolitik | Die Hilfsmittelversorgung von morgen muss heute gestaltet werden Die Hilfsmittelversorgung von morgen muss heute gestaltet werden I n Deutschland werden jährlich rund 25 Prozent der Ver- sicherten mit 30 Millionen Euro für Hilfsmittel versorgt, welche zulasten der gesetzlichen Krankenversicherungen verordnet werden. Diese Hilfsmittel helfen Menschen, ge- sund zu werden oder einer Behinderung vorzubeugen bzw. diese auszugleichen. Vielen von ihnen wird dadurch die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben oder auch die Rück- kehr an den Arbeitsplatz ermöglicht. Für die Versicherten stellen Hilfsmittel somit eine erhebliche Erleichterung des Alltags und einen Zugewinn an Lebensqualität dar. Demgegenüber sind die damit verbundenen Kosten von unter vier Prozent der gesamten Ausgaben der gesetzlichen Kranken- versicherung vergleichsweise gering. Umso unverständlicher ist der seit Jahren bestehende extreme Kostendruck in der Hilfsmit- telversorgung. Die deutlichen Einsparungen treffen vor allem äl- tere und chronisch kranke Menschen sowie Menschen mit Be- hinderung. Um eine qualitätsgesicherte Hilfsmittelversorgung zu erhalten, müssen diese immer häufiger Zuzahlungen leisten. Das oberste Ziel in der Hilfsmittelversorgung muss grundsätzlich das Patienten- und Versichertenwohl sein. Die Qualität des Pro- duktes sowie die Dienstleistung rund um das Hilfsmittel (Beratung, Anpassung, Einweisung, Wartung usw.) einerseits und die Kos- tenerstattung für die Versorgung andererseits müssen daher in einem angemessenen Verhältnis zueinanderstehen und grund- sätzlich an dem Patientinnen- und Patientenwohl ausgerichtet sein. Um zukünftig die Versorgung mit State-of-the-Art-Hilfsmitteln sicherzustellen, muss daher das Hilfsmittelverzeichnis (HMV) zukunftsfest gemacht und für neue Versorgungsformen offen gestaltet werden. Das HMV umfasst alle Hilfsmittel, die aufgrund ihrer Funktions- tauglichkeit und ihres medizinischen Nutzens verordnungsfähig sind, einschließlich ihrer Qualitätsstandards, Beschreibungen und Indikationen, bei denen sie eingesetzt werden können. Das HMV ist jedoch ausdrücklich keine Positivliste. Demnach können auch Produkte verordnungs- und zulasten der gesetzlichen Kranken- versicherungen erstattungsfähig sein, die nicht im HMV gelistet sind. Obwohl nun seit November 2019 die Verfahrensordnung zum HMV vorliegt, dauern die Prozesse zur Aufnahme von Hilfsmitteln oft viel zu lange, insbesondere wenn sie zur Anwendung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dienen. Das Proze- dere nimmt insgesamt rund zwei bis drei Jahre in Anspruch. Ziel muss es sein, dass die Versicherten zeitnah die Versorgung er- halten, die für sie individuell erforderlich ist und die eine dem aktuellen Stand der Medizintechnik entsprechenden Krankheits- oder Behinderungsausgleich ermöglicht. Hierzu sollten insbe- sondere die Fristen und Voraussetzungen im Rahmen des Auf- nahmeprozesses neuer Produkte weiter justiert werden. Zeitgleich gilt, das Verfahren für die Unternehmen transparent und verbindlich zu gestalten: Verzögerungen im Antragsverfahren, starre und unflexible Strukturen beim Aufbau des Verzeichnisses und bei der Zuordnung neuer Hilfsmittel in diese Strukturen Peggy Zimmermann Referentin Fachverband Medizintechnik zimmermann@spectaris.de

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