Die deutsche Medizintechnik-Industrie / SPECTARIS Jahrbuch 2022/2023

43 USA Exportkontrolle Gastbeitrag 3 Seiten » Legalisierung des Parallelimports Für die russische Wirtschaft, die in vielen Bereichen stark von ausländischen Produkten, Rohstoffen und Komponenten abhän- gig ist, kann die Einst llung bzw. Herabsetzung der lokalen Pro- duktion und der Einfuhr von ausländischen Waren zu einem spür- baren Warendefizit führen. Um dies zu vermeiden, wurde in Russland das Föderale Gesetz vom 28. Juni 2022 Nr. 213-FZ über die teilweise Legalisierung des sogenannten Parallelimports verabschiedet. Dieses Gesetz ermög- licht die Einfuhr von Waren aus Ländern, die Sanktionen gegen Russland eingeführt haben, ohne Einverständnis des Rechte- inhabers. Die neuen Regelungen beziehen sich auf eine Liste von Waren, die durch das Ministerium für Industrie und Handel bestimmt wurde. Die aktuelle Liste umfasst zahlreiche Produktkategorien und Brands, die aufgrund der Sanktionen oder nicht sanktions- bedingten Entscheidungen von Herstellern nicht mehr nach Russ- land geliefert werden. Für die Pharma- und Medizintechnikbranchen sind gegenwärtig folgende TN VED EAWU Codes relevant: » 3002 12 000 9 (Immunserum). Betroffener Brand – Miltenyi Biotec » 3005 90 100 0 (Watte und Produkte aus Watte). Betroffene Brands – O.B., Carefree Andere Medizinprodukte wurden aus der Liste durch den Erlass des Ministeriums für Industrie und Handel vom 21. Juli 2022 Nr. 3042 grundsätzlich rausgenommen. Nunmehr gilt die Einfuhr von Originalwaren aus der Liste nicht mehr als Verstoß gegen geistige Eigentumsrechte auf Marken und Patente. Insofern ist eine etwaige administrative, zivil- und strafrechtliche Haftung von Importeuren, Transport- und Logistik- unternehmen nach russischem Recht ausgeschlossen. Dabei ist die Einfuhr von gefälschten Waren nach wie vor verboten. Unternehmen ist zu empfehlen, Informationen über die von ihnen geschützten Marken in das Zollregister für geistiges Eigentum („TROIS“) eizutragen bzw. Informationen in diesem Register recht- zeitig zu aktualisieren, um die Einfuhr von Fälschungen in die Eurasische Union effektiv einzuschränken. » Erleichterung des Zulassungsverfahrens Mit der Regierungsverordnung Nr. 552 vom 1. April 2022 wurden neue Regelungen bezüglich der Zulassung und Änderungen im Zulassungsdossier für Medizintechnik verabschiedet. Diese Re- gelungen finden für die durch eine spezielle Kommission bestä- tigte Liste von Waren Anwendung, bei welchen das Risiko eines Mangels auf dem Markt festgestellt wurde, oder für welche die Kommission Angebote über ihre Lieferung zu einem unter dem Marktdurchschnitt liegendem Preis bekommt. Die Frist für die Erteilung einer Zulassung nach neuen Regelungen beträgt 22 Arbeitstage nach Einreichung der in der Regierungs- verordnung bestimmten Unterlagen. Ein vereinfachtes Verfahren ist für Medizintechnik mit niedrigem potenziellem Risiko der Verwendung vorgesehen. Die Zulassung wird in diesem Fall innerhalb von nur fünf Arbeitstagen erteilt. Dabei sind die Antragsteller verpflichtet, innerhalb von fünf Arbeitstagen nach Zulassung die Muster von einschlägigen Pro- dukten für eine Prüfung zur Verfügung zu stellen und einen An- trag auf allgemeine Zulassung innerhalb von 150 Arbeitstagen einzureichen. Die gemäß dem neuen Verfahren ausgestellten Zulassungen wer- den bis zum 1. September 2023 gelten. » Deutschland als „unfreundlich gesinntes Land“ Nach aktueller Gesetzgebung gehört Deutschland als EU-Mitglieds- staat zu den sogenannten „unfreundlich gesinnten Ländern“. Somit sind deutsche Medizintechnikunternehmen mit spezifischen neuen Einschränkungen, vor allem bei der Devisenkontrolle, konfrontiert. So dürfen beispielsweise Devisenresidenten aus Russland bei Dar- lehensrückzahlung an Unternehmen aus „unfreundlich gesinnten Ländern“ Geldüberweisungen über 10 Millionen Rubel pro Monat nur auf spezielle Rubel-Bankkontos „Typ-C“ tätigen, die für solche Unternehmen in russischen Banken eröffnet werden. Auch andere Gesetzänderungen und Initiativen der russischen Regierung sorgen für neue Bedenken bei deutschen Unternehmen. Am 14. Juli 2022 wurde das Föderale Gesetz Nr. 255-FZ über die Kontrolle der Tätigkeit sogenannter „ausländischen Agenten“ ver- abschiedet. Als ausländische Agenten können Personen eingestuft werden, die unter ausländischer Kontrolle stehen oder Unterstüt- zung aus dem Ausland bekommen, sofern sie politische Tätigkeit ausüben, Information und Materialien für einen unbegrenzten Personenkreis verbreiten usw. Für die Nichterfüllung von Pflichten eines ausländischen Agenten, einschließlich Berichterstattung und Informierung über diesen Status in Pressemitteilungen, droht eine administrative und strafrechtliche Haftung. Außerdem wurden Gesetzentwürfe über die strafrechtliche Haf- tung für die Einhaltung ausländischer Sanktionen und über die mögliche externe Verwaltung von Unternehmen, die den russi- schen Markt verlassen haben, ausgearbeitet. Medizintechnikunternehmen, die auf dem russischen Markt ver- treten sind bzw. ihre Waren nach Russland verkaufen, wird emp- fohlen, die Entwicklung des rechtlichen Rahmens aufmerksam zu beobachten. SPECTARIS Jahrbuch 2022/2023 | Medizintechnik

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