Die deutsche Medizintechnik-Industrie / SPECTARIS Jahrbuch 2023/2024

SPECTARIS Jahrbuch 2023/2024 | Medizintechnik 67 transparent abzubilden. Der Kostenindex kann zudem einen guten Orientierungsrahmen für einen Mechanismus des Inflationsausgleichs im Hilfsmittelbereich geben.“ SPECTARIS geht sogar einen Schritt weiter und fordert den Gesetzgeber auf, eine solche entsprechende Indexregelung in den § 127 SGB V aufzunehmen, um damit inflationsbedingte Kostensteigerungen bereits kraft Gesetzes regelmäßig auszugleichen. „Das wäre ein echter Schritt für mehr Transparenz und Verlässlichkeit in den Vertragsbeziehungen und ein spürbarer Faktor für Bürokratieabbau in der GKV“, betont Kuhlmann. Gute Beispiele aus Sicht des Industrieverbandes sind die Regelungen zur regelmäßigen Überprüfung und Anpassung der Kostenentwicklung, wie es sie im Reha-Vertrag zwischen der AOK Hessen und der OT-Landesinnung Hessen oder im Vertrag der Mobil Krankenkasse in der Produktgruppe 31 (Schuhe) bereits gibt. Aber auch im europäischen Ausland, wie beispielsweise in den Niederlanden und Norwegen, gibt es derartige Regelungen. Unstrittig ist in der gesamten Hilfsmittelbranche, dass jetzt der Gesetzgeber gefordert ist, schnell eine Lösung zu finden, um die Inflation abzufedern. Kuhlmann macht in diesem Zusammenhang deutlich, dass es bei diesem Thema nämlich um weit mehr als die finanziellen Interessen der Hersteller und Leistungserbringer geht: „Wenn es über mehrere Jahre hinweg keinen fairen Inflations- und Kostenausgleich für Hersteller und Leistungserbringer gibt, dann ist das nicht nur existenzgefährdend für viele Unternehmen im Hilfsmittelsektor, sondern bedroht auch unmittelbar die Versorgungsqualität von Millionen von Patienten und Versicherten in Deutschland, die auf eine qualitativ hochwertige Versorgung mit Hilfsmitteln und Hilfsmittelleistungen angewiesen sind. Langfristig gesehen gefährdet es darüber hinaus die Versorgungssicherheit in Deutschland, da in einzelnen Produktgruppen keine kostendeckende Versorgung mehr möglich ist.“ Eine Orientierung an öffentlichen Indizes, wie sie auch heute schon vom Gesetzgeber beispielsweise im Bereich der Arzneimittel praktiziert wird, senkt den Bürokratieaufwand erheblich und beschleunigt bzw. versachlicht die Vertragsverhandlungen. Langfristig ist dies eine der wenigen Möglichkeiten, wie Kosten reduziert werden können, ohne die wohnortnahe Hilfsmittelversorgung zu gefährden. So ist zu hoffen, dass sich mit Hilfe dieses Kostenindex für die Zukunft die Weichen in Richtung fairer, transparenter Vertragsverhandlungen zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern stellen ließen – zum Wohle des Patienten. © MTD-Verlag, www.mtd.de; Erstveröffentlichung des Artikels im Fachmagazin MTD Medizintechnischer Dialog Auf dieser Basis wurde ein Mittelwert* gebildet, der die durchschnittliche Zusammensetzung der Kosten für Hersteller und Leistungserbringer im Hilfsmittelbereich abbildet – wohlgemerkt nicht bezogen auf einzelne Unternehmen, sondern als Durchschnittswert über verschiedene Unternehmen und Indikationsbereiche hinweg. Die verschiedenen Kostenblöcke – wie Personalkosten, Betriebs-, Material- und Beschaffungskosten – konnten auf diese Weise gewichtet und auf einzelne Kostenbestandteile heruntergebrochen werden. In einem zweiten Schritt wurden dann für jede der untersuchten Kostenkategorien relevante, öffentlich zugängliche und anerkannte Kostenindizes, die in der Regel vom Statistischen Bundesamt oder von Eurostat ermittelt und zur Verfügung gestellt werden, herangezogen. Diese Indizes bilden die Kostenentwicklung im jeweiligen Kostensegment für alle Branchen (nicht nur Hilfsmittel) ab. Insgesamt wurden 16 für die meisten Hilfsmittel relevante Kostenindizes ermittelt und verwendet sowie entsprechend des für den jeweiligen Hilfsmittelbereich identifizierten Kostenanteils gewichtet. » Kostensteigerungen um 14 Prozentpunkte höher als Inflationsrate Aus der Summe dieser Einzelindizes wurde dann im letzten Schritt ein Kostenindex erstellt, der die tatsächliche Kostenstruktur und Kostenentwicklung deutlich präziser abbildet als der Status quo. Das Ergebnis: Gemäß des von Schuppar Consulting entwickelten Kostenindex sind die Kosten beispielsweise für Hilfsmittel-Hersteller und -Leistungserbringer in den beiden Versorgungsbereichen PG 14 (Inhalation und Atemtherapie) und Pflegebetten alleine seit Januar 2021 um rund 28 Prozent gestiegen. Die Verbraucherpreise legten im selben Zeitraum „nur“ um ca. 14 Prozent zu. Der Pricing-Experte Dr. Björn Schuppar sieht daher in dem Kostenindex vor allem einen wichtigen Schritt hin zu mehr Kostentransparenz im Hilfsmittelbereich: „Bislang fehlte es in den Verhandlungen zwischen Leistungserbringern und Kranken- sowie Pflegekassen vor allem an neutralen, nachvollziehbaren und für alle Akteure zugänglichen Daten zur Kostenstruktur und Kostenentwicklung im Hilfsmittelbereich. Eine solche Transparenz ist die Voraussetzung für faire Vertragsverhandlungen auf Augenhöhe zwischen den Kranken- bzw. Pflegekassen und den Leistungserbringern. Der von uns entwickelte Kostenindex bietet hier eine gute Basis.“ » Gesetzgeber gefordert, um Inflation abzufedern Marcus Kuhlmann, Leiter des Fachverbands Medizintechnik beim Industrieverband SPECTARIS, ergänzt: „Mit diesem Kostenindex gelingt es, die tatsächliche Kostenstruktur und Kostenentwicklung im Hilfsmittelsektor für alle Akteure nachvollziehbar und * An dieser Stelle weisen wir darauf hin, dass der „Mittelwert“ insbesondere auf Basis der Kostenstrukturen aus den Versorgungsbereichen der Produktgruppe 14 des Hilfsmittel- verzeichnisses (Inhalations- und Atemtherapiegeräte) sowie Pflegebetten (PG 19/50) ermittelt wurde.

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