82 Digitalisierung im Gesundheitswesen | Medizinprodukte und künstliche Intelligenz Gastbeitrag Medizinprodukte und künstliche Intelligenz Die Digitalisierung und der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) transformieren den medizinischen Sektor. Insbesondere in Bezug auf Medizinprodukte entstehen durch diese technologischen Fortschritte neue Möglichkeiten und Herausforderungen. KI unterstützt bei der Diagnostik oder bietet medizinischen Fachkreiszugehörigen Entscheidungshilfen für Therapien und Medikamentation an. Medizinische Apps erfreuen sich immer größerer Beliebtheit als Ergänzung oder sogar Ersatz für traditionelle Monitoring-Methoden und Therapieansätze. Diese Entwicklung birgt unzählige Chancen, führt jedoch auch zu neuen Risiken und Herausforderungen, insbesondere beim Einbezug von KI-Komponenten, denen der europäische Gesetzgeber durch sektoral wie horizontal geltende Rechtsakte begegnen möchte. » Medizinprodukteverordnung (MDR) vs. KI-Verordnung (KI-VO) Die europäischen Regelwerke – MDR und In-vitro-Diagnostik-Verordnung (IVDR) – bilden die Kernvorgaben für Entwicklung, Herstellung, Inverkehrbringen sowie Beobachtung und Kontrolle von Medizinprodukten und In-vitro-Diagnostika (IVD). Medizinprodukte und IVD müssen den Anforderungen dieser beiden Regelwerke entsprechen, um innerhalb der EU in Verkehr gebracht werden zu können. Beide Regelwerke beinhalten keine Bestimmung der Begriffe „künstliche Intelligenz“ oder „KI“. Ebenso fehlt eine klare Definition von „Software“. Aber es steht fest, dass Software, sofern der Hersteller eine medizinische Zweckbestimmung vorgesehen hat, nach den Vorgaben von MDR bzw. IVDR als Medizinprodukt oder IVD zu qualifizieren ist. Die europäische KI-Verordnung liegt im finalen Entwurf vor. Sie soll einen einheitlichen Rahmen für KI bilden, der zugleich globale KI-Benchmarks setzt und horizontal, also branchenunabhängig, angewendet werden kann. Im Gegensatz zu vielen anderen, nicht sektorspezifischen Regelwerken sind Medizinprodukte und IVD vom Anwendungsbereich der KI-Verordnung erfasst. Im Verordnungsentwurf ist der Begriff des „Systems der künstlichen Intelligenz“, kurz „KI- System“, als eine Software beschrieben, „die mit einer oder mehreren der in Anhang I der KI-VO aufgeführten Techniken und Konzepte entwickelt worden ist und im Hinblick auf eine Reihe von Zielen, die vom Menschen Miriam Schuh Salary Partnerin und Head of Healthcare, Reusch Rechtsanwaltsgesellschaft mbH festgelegt werden, Ergebnisse wie Inhalte, Vorhersagen, Empfehlungen oder Entscheidungen hervorbringen kann, die das Umfeld beeinflussen, mit dem sie interagieren“. Anhang I der KI-VO gibt einen Überblick über KI-Techniken und KI-Konzepte; diese beinhalten Aspekte des maschinellen Lernens wie Deep Learning, logik- und wissensbasierte Techniken sowie statistische Verfahren, ergänzt durch Schätz-, Such- und Optimierungsmethoden. Auf Medizinprodukte bzw. IVD, die mit den in Anhang I der KI-VO aufgeführten Techniken entwickelt wurden, finden sowohl die Regelungen von MDR oder IVDR als auch der KI-VO Anwendung. Hier gilt es, die besonderen Anforderungen für Hersteller und Produkte zu identifizieren. Artikel 6 KI-VO betrifft sogenannte „Hochrisiko-KI-Systeme“. Ein KI-gestütztes Medizinprodukt, das nach Regel 11 MDR der Risikoklasse IIa oder höher entspricht und dessen Konformitätsbewertungsverfahren zwangsläufig den Einbezug einer Benannten Stelle erfordert, fällt gleichzeitig unter die Definition eines Hochrisiko-KI-Systems nach der KI-VO. Viele der KI-basierten Medizinprodukte werden als Hochrisiko-KI-Systeme eingestuft und müssen daher den speziellen Vorgaben für solche Systeme gemäß der KI-VO entsprechen. Diese spezifischen Bestimmungen, wie sie in Kapitel 2 der KI-VO aufgeführt sind, umfassen Aspekte wie Risikomanagement, Daten- Governance, Dokumentationspflichten, Transparenz, Nutzerinformation, menschliche Kontrolle sowie Präzision, Systemstabilität und Cybersicherheit. Auch in MDR und IVDR sind die vorbezeichneten Anforderungen bereits im Wesentlichen abgebildet. Hersteller von Medizinprodukten unterliegen grundsätzlich Kernverpflichtungen wie: » Implementierung und Aufrechterhaltung eines Qualitäts- und Risikomanagementsystems, » umfassenden Informations- und Aufzeichnungspflichten, » Erstellung und Pflege technischer Dokumentationen für ihre Produkte.
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