KOMMENTAR VON DR. CHRISTOPH GÜRTLER Es wird kompliziert „Die nächsten Jahre werden kompliziert.“ So hat Ford-Chef Jim Farley die Lage beschrieben, in der sich die Automobilindustrie weltweit befindet. Sie steht stellvertretend für viele. In Deutschland sind Industrieikonen wie Thyssenkrupp und BASF unter Druck. Große Zulieferer wie Bosch, Continental und ZF streichen bereits Zigtausende Arbeitsplätze. Vor allem der Alarmruf von VW hat eine ganze Nation in Unruhe versetzt. Die Deutschen erkennen aufgeschreckt, dass ihr Land zwar immer noch ein reiches, aber schwerfällig gewordenes Land ist, das tief in der Melange von Transformation, politisch erzeugter Unsicherheit, den Standortnachteilen und der Konkurrenz aus China steckt. Dabei ist keine der Herausforderungen neu, denen das alte deutsche Geschäftsmodell mit preiswerter Energie aus Russland und großen Exportmöglichkeiten in China und noch stabiler Demografie gegenüberstand und -steht. Das ist vorbei. BASF-CEO Martin Brudermüller hat es treffend formuliert: „Die alten Zeiten kommen nicht wieder“. Immerhin zeigt diese Aussage auch deutlich, dass Problem und Lage erkannt sind. Dass Politik und Gesellschaft reagieren können. Bisher sind die Antworten auf die Herausforderungen aber noch zu zaghaft. So arbeitet die Bundesregierung zwar an der Umsetzung einer „Wachstumsinitiative“. Sie plant Verbesserungen bei Abschreibungen von Investitionen, einen verstärkten Abbau von Bürokratie und an Anreizen für längeres Arbeiten. Doch weist der BDI zu Recht darauf hin, dass diese Pläne noch nicht ausreichend sind. Grundlegendere Reformen bei Steuern und Energie sind notwendig. Noch fehlt der Mut zu einem umfassenden Aufbruch mit einer klaren Industriepolitik und hohen Investitionen in Infrastruktur, Digitalisierung, Innovationen und vor allem Bildung. Deutschland wird sich als Industrienation neu erfinden müssen und benötigt dafür einen großen Wurf. Investitionen in Billionenhöhe in Infrastruktur und Bildung, in Klimatechnologien und Gesundheit sind erforderlich. Werden sie nicht getätigt, wird es im Endergebnis noch schlimmer. Dieser Kraftakt kann gelingen. Wir als Führungskräfte werden ihn konkret vor Ort in den Unternehmen umsetzen. Und wir werden es gern tun. Wir können uns vom Optimismus des FordChefs anstecken lassen. Ja, manche europäische Hersteller hätten einen ziemlich schlechten ersten Spielabschnitt erwischt. Aber wir steckten bisher im Rennen mit China nur in der ersten Runde. Noch sei nichts endgültig entschieden. Wie es ausgeht, entscheiden auch wir. Es wird darauf ankommen, so wie immer mit vollem Einsatz unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu motivieren und mit klaren Zielen auf dem Spielfeld anzuführen. Es liegt an uns. Dr. Christoph Gürtler ULA-Vizepräsident und 2. Vorsitzender des VAA Foto: VAA ULA INTERN ULA im Dialog Wirtschaftlich ist die Lage angespannt: Investitionsstau, Fachkräftemangel und die Migrationsdebatte sind zentrale Herausforderungen. In ihren Dialogen bringt die ULA gezielt Debattenbeiträge ein und erörtert Ansätze aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. „Als Stimme für Leistung und Verantwortung bietet die ULA eine Plattform, um gemeinsam Lösungen zu erarbeiten und die Zukunftsfähigkeit Deutschlands zu sichern,“ betonte ULAPräsident Roland Angst. Beim jüngsten ULA-Politik-Dialog wurde ein Vorschlag des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) diskutiert. BDI-Hauptgeschäftsführerin Tanja Gönner stellte das Positionspapier „Standort D mit Investitionen stärken“ vor, das ein 400-Milliarden-Euro-Sondervermögen fordert. Gönner betonte die Notwendigkeit wettbewerbsfähiger Rahmenbedingungen und Investitionen in Infrastruktur, Klimapolitik und Resilienz. Trotz einiger Skepsis war der Handlungsbedarf unbestritten. Die Diskussion konzentrierte sich auf das „Wie“ der Finanzierung. Angst schloss: „Ohne Reformen und gezielte Investitionen ist die Zukunft des Industriestandorts Deutschland gefährdet.“ Mit Blick auf die Weiterentwicklung der Arbeitswelt haben Roland Angst (im Bild rechts) und ULA-Hauptgeschäftsführer Michael Schweizer Anfang September im Bundesministerium für Arbeit und Soziales mit der Parlamentarischen Staatssekretärin Anette Kramme (SPD) die Chancen der Digitalisierung für die Weiterentwicklung der Mitbestimmung erörtert. Die ULA setzt sich als politische Stimme der Führungskräfte dafür ein, 2026 Onlinewahlen der Sprecherausschüsse im Sinne des Koalitionsvertrags zu ermöglichen. Foto: ULA www.ula.de 31 ULA NACHRICHTEN OKTOBER 2024
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